Informationen zum Verkehrsrecht

Enforcement Trailer "blitzt": Die Geschwindigkeitsmessung

Enforcement Trailer "blitzt": Die Geschwindigkeitsmessung aus einem eigens angefertigten Spezialanhänger heraus ist zulässig
Die zunehmende Technisierung unseres Lebens suggeriert, dass im Ernstfall menschliches Versagen immer mehr in den Hintergrund rücken und unser Dasein sicherer gestaltet werden könnte. Dass aber auch Einsatz moderner Technik nicht nur ebenso tückisch, sondern auch nur unter bestimmten Einsatzbedingungen zulässig sein kann, war der springende Punkt, das Oberlandesgericht Bamberg (OLG) mit dem folgenden Fall zu betrauen.
Einmal mehr stand hier ein Autofahrer vor Gericht, der die zulässige Höchstgeschwindigkeit übertreten hatte, und zwar diesmal auf Klägerseite. Der Mann beanstandete nämlich die Geschwindigkeitsmessung an sich, weil diese aus einem mobilen Spezialanhänger heraus erfolgt sei. Das verwendete PoliScanspeed-Messgerät, argumentierte er, sehe laut Gebrauchsanweisung lediglich den Einsatz "aus einem Kfz, auf einem Stativ oder in einer Messkabine" vor. Demnach lag seines Erachtens nach hier keine verwertbare Messung vor. Das sah das Gericht jedoch anders.
Laut OLG steht der Anerkennung des Geschwindigkeitsmessverfahrens mit dem Messgerät als standardisiertes Messverfahren nicht entgegen, dass die Messung aus einem sogenannten Enforcement Trailer (einem eigens für das Messgerät vom Hersteller entwickelten und konstruierten mobilen Spezialanhänger) heraus erfolgt. Die Anerkennung war nicht allein deshalb zu versagen, weil die Gebrauchsanweisung für das verfahrensgegenständliche Messgerät (bislang) nicht ausdrücklich dahin

angepasst bzw. ergänzt wurde. Auf die Frage, ob ein als Anhänger zugelassener Enforcement Trailer als Kraftfahrzeug oder Fahrzeug im Sinne der Fahrzeug-Zulassungsverordnung anzusehen ist, kommt es nicht an. Entscheidend ist insoweit allein, ob der Einsatz des Messgeräts aus dem dazu eigens angefertigten Anhänger heraus zu Verfälschungen der Messergebnisse führen kann. Und genau hierfür fehlte jeglicher Anhaltspunkt. Es wird vielmehr gewährleistet, dass die Richtigkeit des Ergebnisses durch diese Verwendungsweise nicht berührt wird, weil die innerstaatliche Bauartzulassung für das PoliScan-Gerät die Verwendung aus einem "Fahrzeug" heraus vorsieht und nicht den Einsatz aus einem "Kraftfahrzeug" heraus verlangt.
Hinweis: Anders als das hier urteilende OLG entschied das Oberlandesgericht Frankfurt in einem Beschluss vom 22.11.2018 (2 Ss-Owi 845/18), dass eine Messung aus einem "Enforcement Trailer" nicht vorschriftsgemäß "aus einem Kfz, auf einem Stativ oder in einer Messkabine" erfolgt. Für einen solchen Einsatz als "standardisiertes Messverfahren" bedarf es einer Zulassungserweiterung durch die Physikalisch-Technische Bundesanstalt, damit die technischen Bedingungen bestimmt werden, die die Messrichtigkeit auch in dieser Verbauung garantiert. Interessant, wie künftig hierzu mehrheitlich entschieden wird.

Quelle: OLG Bamberg, Beschl. v. 12.03.2019 - 2 Ss OWi 67/19
Fundstelle: www.gesetze-bayern.de

Vollkaskoversicherer verpflichtet: Durch ein allein losfahrendes Automatikfahrzeug verursachte Schäden müssen beglichen werden

Vollkaskoversicherer verpflichtet: Durch ein allein losfahrendes Automatikfahrzeug verursachte Schäden müssen beglichen werden
Wer kennt sie nicht: fantastische Geschichten, die schlicht und ergreifend zu hanebüchen erscheinen, um wahr zu sein. Vor Gericht ist es deshalb ein Glücksfall, dass Sachverständigengutachten immer wieder Licht in Sachverhalte bringen, die noch kurz zuvor völlig an den Haaren herbeigezogen wirkten, so auch im folgenden Fall, der vor dem Oberlandesgericht Braunschweig (OLG) landete.
Hier hatte ein Mann durchaus Bemerkenswertes zu berichten: Sein Automatik-Fahrzeug habe sich selbständig in Bewegung gesetzt, obwohl er bereits ausgestiegen war und somit niemand am Steuer gewesen sei. Bei dem Versuch, das Fahrzeug zu stoppen, sei er dann aufs Gaspedal gekommen, woraufhin das Fahrzeug nach vorne geschossen sei und einen Torflügel durchbrochen und zwei Stützpfeiler mitgenommen habe. Als er von seinem Vollkaskoversicherer nun die Reparaturkosten seines Autos ersetzt verlangte, schüttelte dieser nur ungläubig den Kopf. Ein Umstand, den das Urteil womöglich noch verstärkt haben mag.

Denn die Klage hatte vor dem OLG durchaus Erfolg. Kann der Sachverhalt im Einzelnen nicht aufgeklärt werden, während gleichsam feststeht, dass die Schäden nach Art und Beschaffenheit nur auf einen Unfall beruhen können, reicht dies dem Gericht zufolge für eine Einstandspflicht der Versicherung aus. Im vorliegenden Fall genügten dem Senat die Angaben des geschädigten Autofahrers, um vom geschilderten Unfallhergang überzeugt zu sein. Dessen Schilderung stimmte auch mit den Angaben überein, die der Geschädigte unmittelbar nach dem Unfall gegenüber verschiedenen Zeugen gemacht hatte. Selbst der beauftragte gerichtliche Sachverständige bestätigte, dass die Spuren am Fahrzeug sowie in der Toreinfahrt zueinander passten und der vom Geschädigten geschilderte Unfallhergang plausibel ist. Immerhin hatte sich das Fahrzeug auch bei einem der Versuchsabläufe des Sachverständigen mit einem

auf "N" gestellten Hebel selbständig in Bewegung gesetzt. Der Versicherungsschutz schied auch nicht deshalb aus, weil der Geschädigte selbst das Gaspedal betätigt hatte und das Fahrzeug somit in das Tor gefahren war. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme darf davon ausgegangen werden, dass er versehentlich auf das Gaspedal gekommen sei, als er versucht habe, sein allein fahrendes Automatikfahrzeug anzuhalten.
Hinweis: Ein Unfall im Sinne der Kaskobedingungen liegt vor, wenn ein Schadensereignis für den Versicherungsnehmer objektiv unerwartet und unvorhersehbar war. Für das Vorliegen eines Unfalls spielt es dabei keine Rolle, ob das Ereignis unfreiwillig herbeigeführt wurde.

Quelle: OLG Braunschweig, Urt. v. 11.02.2019 - 11 U 74/17
Fundstelle: www.oberlandesgericht-braunschweig.niedersachsen.de

Fahrbahnmarkierung beachten: Wer, statt vorschriftsgemäß abzubiegen, geradeaus weiterfährt, trägt im Ernstfall eine Mitschuld

Fahrbahnmarkierung beachten: Wer, statt vorschriftsgemäß abzubiegen, geradeaus weiterfährt, trägt im Ernstfall eine Mitschuld

Befindet sich ein Verkehrsteilnehmer links neben einem anderen auf einer Abbiegespur, darf man im allgemeinen schon darauf vertrauen, dass er dieser vorgeschriebenen Richtung folgt. Dass man danach jedoch nicht blind darauf zählen darf, wenn man kurz nach einer entsprechenden Kreuzung selbst die Spur wechselt, zeigt das folgende Urteil des Landgerichts Saarbrücken (LG).

Eine Autofahrerin hielt an einer Kreuzung auf der rechten Fahrspur. Auf der von ihr aus links befindlichen Spur hielt ein Lkw. Als die Ampel auf Grün wechselte, vertraute die geradeaus fahrende Frau darauf, dass der Lkw vorschriftsgemäß links abgebogen sei. Als sich kurz danach ihre zweispurige Fahrbahn auf nur eine Spur nach links verjüngte, blinkte die Autofahrerin zwar, übersah jedoch den Lkw, der von der Abbiegespur nicht etwa abgebogen, sondern geradeaus weitergefahren war. Es kam, wie es kommen musste: zur Kollision.

Das LG entschied, dass die Pkw-Fahrerin am Zustandekommen des Unfalls ein Verschulden von 2/3 trifft. Sie hatte beim Fahrstreifenwechsel von rechts nach links den neben ihr befindlichen Lkw übersehen und den Unfall dadurch überwiegend verschuldet. Den Brummifahrer trifft aber durchaus ein Mitverschulden. Schließlich war er entgegen der eindeutigen Fahrbahnmarkierung nicht links abgebogen, sondern geradeaus weitergefahren. Und natürlich durfte die Frau auch zunächst davon ausgehen, dass der Lkw die vorgegebene Fahrtrichtung einhält und nicht gegen die Markierung geradeaus über die Kreuzung fährt. Doch letzten Endes traf sie eine doppelte Rückschaupflicht - wie alle Verkehrsteilnehmer, die einen Spurwechsel planen. Und da dieses Unterlassen hier hauptursächlich war, kam es bei den beiden Faktoren, die zum Unfall führten, zu dieser Schuldverteilung.
Hinweis: Die Straßenverkehrsordnung regelt ein sogenanntes Fahrtrichtungsgebot. Wer ein Fahrzeug führt, muss der Fahrtrichtung auf der folgenden Kreuzung oder Einmündung folgen, wenn zwischen den Pfeilen Leitlinien oder Fahrstreifenbegrenzungen markiert sind. Da die Pkw-Fahrerin offensichtlich, ohne ihrer doppelten Rückschaupflicht nachzukommen, die Spur gewechselt hat, trifft sie dennoch das überwiegende Verschulden am Unfall.

Quelle: LG Saarbrücken, Urt. v. 02.11.2018 - 13 S 122/18

Benutzung ist entscheidend: OLG Celle widerspricht der Auffassung, dass bloßes Halten eines Handys am Steuer zur Geldbuße führt

Benutzung ist entscheidend: OLG Celle widerspricht der Auffassung, dass bloßes Halten eines Handys am Steuer zur Geldbuße führt

Ob bereits das bloße Halten eines Handys oder nur eine Bedienung des Mobiltelefons zu einem Bußgeld von 100 EUR führt, musste das Oberlandesgericht Celle (OLG) klären.

Ein Autofahrer benutzte während der Fahrt augenscheinlich sein Mobiltelefon, indem er dieses in seiner Hand hielt. Eine Zeugin konnte allerdings nicht bekunden, ob der Betroffene dabei Sprechbewegungen gemacht hat oder nicht. Das jedoch war dem erstinstanzlichen Amtsgericht (AG) egal - es verurteilte den Betroffenen wegen vorschriftswidriger Benutzung eines elektronischen Gerätes (Mobiltelefon) als Führer eines Kraftfahrzeugs zu einer Geldbuße von 100 EUR. Das wollte sich der Verurteilte jedoch nicht gefallen lassen und klagte dagegen - mit Erfolg.

Das OLG sah den Fall nämlich anders als das AG. Allein durch das Aufnehmen oder Halten eines elektronischen Geräts, das der Kommunikation, Information oder Organisation dient oder zu dienen bestimmt ist, begeht der Führer eines Kraftfahrzeugs während der Fahrt noch keine Ordnungswidrigkeit. Es muss vielmehr auch eine über das bloße Halten hinausgehende Benutzung des elektronischen Geräts hinzukommen. Die entsprechende Vorschrift regelt, unter welchen Bedingungen die Benutzung eines elektronischen Geräts während der Fahrt erlaubt ist, und verbietet das Aufnehmen oder Halten des Geräts zu diesem Zweck. Fehlt es hingegen am Element einer solchen Benutzung, unterfällt auch das Aufnehmen oder Halten nicht dem Verbot.

Hinweis: Die Frage, ob nach der Neufassung des § 23 Abs. 1a Straßenverkehrsordnung bereits das bloße Halten eines elektronischen Geräts ausreicht, um den Bußgeldtatbestand zu verwirklichen, ist in der Fachliteratur umstritten und wurde bislang - soweit ersichtlich - obergerichtlich noch nicht entschieden. Der Auffassung, die einen Verstoß bereits dann annimmt, wenn das elektronische Gerät in der Hand gehalten wird, vermag das OLG nicht zu folgen. Denn diese sei seiner Ansicht nach nicht mit dem Wortlaut der Vorschrift vereinbar. Deshalb kann nach Auffassung der Richter nicht allein das Aufnehmen oder Halten des Geräts ein Benutzen im Sinne der Vorschrift ausmachen. Hinzukommen muss vielmehr irgendein Zusammenhang des Aufnehmens oder Haltens mit einer der Bedienfunktionen des Geräts, also mit seiner Bestimmung zur Kommunikation, Information oder Organisation.

Quelle: OLG Celle, Beschl. v. 07.02.2019 - 3 Ss (OWi) 8/19
Fundstelle: www.dbovg.niedersachsen.de


Section Control: Verwaltungsgericht erteilt dem Messsystem in Niedersachsen eine Abfuhr

Section Control: Verwaltungsgericht erteilt dem Messsystem in Niedersachsen eine Abfuhr
 

Die bislang erfolglose Suche im tragischen Fall "Rebecca" hat unbeabsichtigt die sogenannte "Section Control" bundesweit in den öffentlichen Fokus gerückt. Dabei befassen sich die Gerichte bereits seit längerem mit diesem System - so auch erst kürzlich das Verwaltungsgericht Hannover (VG).

 

Section Control erfasst die Kfz-Kennzeichen aller in dem überwachten Abschnitt einfahrenden Fahrzeuge mit einer Kamera. An einem zweiten Kontrollpunkt, der im vorliegenden Fall 2,2 km entfernt lag, wird das Kennzeichen erneut erfasst. Auf Basis der Messwerte wird eine Durchschnittgeschwindigkeit errechnet. Liegt diese über einen bestimmten Wert, werden die Daten weitergeleitet und ein Bußgeldverfahren eingeleitet.

Das VG untersagte dem Land Niedersachsen jedoch nun, die amtlichen Kennzeichen zu erfassen. Sowohl im sogenannten Trefferfall als auch im sogenannten Nichttrefferfall fehlt es bislang an einer gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage, denn mit der Erfassung wird in das verfassungsrechtlich garantierte informationelle Selbstbestimmungsrecht eingegriffen. Für einen solchen Eingriff bedarf es stets - auch ungeachtet der jeweiligen Schwere des Eingriffs - einer gesetzlichen Grundlage. Dass sich Section Control noch im Probebetrieb befindet, ändert laut VG hieran nichts. Dies folgt auch aus dem jüngsten Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 18.12.2018 zur automatisierten Kraftfahrzeugkennzeichenkontrolle zum Abgleich mit dem Fahndungsbestand.

An einer gesetzlichen Grundlage fehlt es hier. Dies zeigt sich nicht zuletzt darin, dass im Niedersächsischen Landtag ein entsprechender Gesetzentwurf zur Änderung des Niedersächsischen Polizeirechts (LT-Drs. 18/850) eingebracht wurde, in dem mit § 32 Abs. 8 NPOG-E eine Rechtsgrundlage geschaffen werden soll. Ob eine solche Rechtsgrundlage in die Gesetzgebungskompetenz des Landes Niedersachsen fällt oder der Bundesgesetzgeber tätig werden müsste, lässt das VG dahingestellt, da jedenfalls zum jetzigen Zeitpunkt weder auf Bundes- noch auf Landesgesetzesebene eine Ermächtigungsgrundlage existiert.

Hinweis: Pkw-Fahrer müssen einen Eingriff in ihre Rechte auch nicht während eines Probebetriebs von Section Control hinnehmen. Aus dem Rechtsstaatsprinzip und dem Gewaltenteilungsgrundsatz folgt, dass die Exekutive nicht selbst so handeln darf, als hätte der Gesetzgeber sie hierzu schon ermächtigt. Der Staat ist auch nicht zwingend auf Section Control angewiesen; er kann die Verkehrsüberwachung bis zur Schaffung einer Rechtsgrundlage auch auf andere Weise durchführen.
 

Quelle: VG Hannover, Beschl. v. 12.03.2019 - 7 A 849/19

Fundstelle: www.rechtsprechung.niedersachsen.de

Kanzlei Lersch / G. Hermann-Lersch

Zehnerstraße 29
53498 Bad Breisig
Telefon: 0 26 33 - 48 07 80
Telefax: 0 26 33 - 48 07 828

  Wir bei Facebook

Datenschutz

Diese Webseite verwendet Cookies. Durch die Nutzung der Webseite stimmen Sie der Verwendung von Cookies zu.