Prämienerhöhungen

BGH, IV ZR 255/17:

Prämienerhöhungen in der privaten Krankenversicherung scheitert nicht an der fehlenden Unabhängigkeit des Treuhänders.


Das Landgericht Berlin (Urteil vom 10.01.2018, Az.: 23 O 78/16) sowie das Landgericht Frankfurt/Oder (Urteil vom 18.01.2018, Az.: 14 O 203/16) hatten wie andere Instanzgerichte das Recht des Versicherungsnehmers bestätigt, die Voraussetzungen von Prämienerhöhungen und die Unabhängigkeit des Treuhänders gerichtlich prüfen zu lassen. Die Landgerichte erteilten der Sicht der Versicherer eine Absage, die Unabhängigkeit dürfe allein die BaFin aufsichtsrechtlich prüfen.
Beide Urteile erklärten die Prämienerhöhungen für unzulässig und verurteilten die Versicherer zur Rückzahlung bereits gezahlter erhöhter Prämien. Dem Treuhänder der Versicherer habe die vom Gesetz geforderte Unabhängigkeit gefehlt, weil dieser neben seiner Treuhandtätigkeit gegen Honorar weitere Aufgaben für den Versicherer wahrgenommen habe, wie z.B. die Bearbeitung von Eingaben von Versicherungsnehmern, Durchsicht von Prämienanpassungsanschreiben oder Sachverständigentätigkeit.
Am 19.12.2018 entschied der für das Versicherungsvertragsrecht zuständige IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs, dass eine vom Versicherer mit Zustimmung eines "unabhängigen Treuhänders" gemäß § 203 Abs. 2 VVG vorgenommene Prämienanpassung in der privaten Krankenversicherung nicht allein wegen einer ggf. zu verneinenden Unabhängigkeit als unwirksam anzusehen ist. Ist der zustimmende Treuhänder gemäß den Vorschriften des Versicherungsaufsichtsgesetzes (im Streitfall noch § 12b VAG a.F.) ordnungsgemäß bestellt worden, so findet eine gesonderte Überprüfung seiner Unabhängigkeit durch die Zivilgerichte im Rechtsstreit des einzelnen Versicherungsnehmers über eine Prämienanpassung nicht statt. Die Zivilgerichte haben aber in einem solchen Rechtsstreit die materielle Rechtmäßigkeit der Prämienanpassung zu überprüfen.

Die Unabhängigkeit sei nur die Voraussetzung für die Bestellung des Treuhänders nach den aufsichtsrechtlichen Vorschriften, nicht aber für die Wirksamkeit der von ihm nach seiner Bestellung abgegebenen Erklärung. Deshalb sei sie von den Zivilgerichten im Rechtsstreit über eine Prämienanpassung nicht gesondert zu prüfen. Allein die Aufsichtsbehörde habe aufgrund der ihr vom Gesetzgeber eingeräumten Mitwirkungsbefugnisse sicherzustellen, dass das Versicherungsunternehmen mit der Prüfung der Prämienkalkulation einen unabhängigen und sachkundigen Treuhänder betraue. Die Interessen des Versicherungsnehmers seien dadurch gewahrt, dass im Rechtsstreit über eine Prämienerhöhung vor den Zivilgerichten eine umfassende materielle Prüfung der Ordnungsgemäßheit der vorgenommenen Beitragsanpassung stattfinde.
Eine sachliche Überprüfung einzelner Bestellungsvoraussetzungen im Rechtsstreit des einzelnen Versicherungsnehmers um die Wirksamkeit der Prämienanpassung würde die genannte gesetzliche Kompetenzzuweisung, wie sie sich auch aus den Gesetzesmaterialien ergebe, mangels Rechtskraftwirkung für andere Versicherungsnehmer unterlaufen. Es laufe dem Zweck der Regelung in § 12b Abs. 2, 2a VAG a. F. (bzw. jetzt § 155 VAG) und § 203 Abs. 2 Satz 1 VVG zuwider, wenn eine Prämienanpassung trotz Vorliegens der inhaltlichen Voraussetzungen allein an einer fehlenden Unabhängigkeit des zuständigen Treuhänders scheitern würde. Die Vorschriften zur Prämienanpassung würden vor allem bezwecken, die dauerhafte Erfüllbarkeit der Versicherungsleistungen durch den Versicherer zu gewährleisten. Demgemäß berechtigt die Regelung in § 12b Abs. 2, 2a VAG a.F. (jetzt § 155 VAG) den Versicherer nicht nur zur Vornahme einer Prämienanpassung unter den dort genannten Voraussetzungen, sondern begründe zugleich eine entsprechende Verpflichtung. Daraus ergäbe sich, dass auch eine vorübergehende Äquivalenzstörung im Interesse der Beitragsstabilität vermieden werden müsse. Eine solche träte ein, wenn eine Prämienanpassung, zu der der Versicherer zwecks Erhaltung seiner Leistungsfähigkeit aus materiellen Gründen verpflichtet sei, nur wegen fehlender Unabhängigkeit des Treuhänders für unwirksam erklärt würde, diese aber im Zuge der nächsten jährlichen Überprüfung vom Versicherer nachgeholt werden müsste, wobei die dann vorzunehmende Anpassung wegen der zwischenzeitlich entstandenen Lücke bei den Prämienzahlungen gegebenenfalls sogar höher ausfallen könnte.
Aufgrund der umfassenden tatsächlichen und rechtlichen Prüfung der Prämienanpassung anhand der ins Einzelne gehenden engen und verbindlichen materiellen Vorgaben durch die Zivilgerichte sei gleichwohl der gebotene wirkungsvolle Rechtsschutz des Versicherungsnehmers gegen vom Versicherer vorgenommene Beitragsanpassungen auch ohne eine gesonderte Überprüfung der Unabhängigkeit des Treuhänders gewährleistet. Die sachliche Richtigkeit der Zustimmung des Treuhänders zur Prämienanpassung werde insofern inzident mitgeprüft.

Der BGH hat das Berufungsurteil aufgehoben und den Rechtsstreit an das Berufungsgericht zurückverwiesen. Dieses habe nun zu prüfen, ob die Prämienanpassungen ausreichend im Sinne von § 203 Abs. 5 VVG begründet worden sei und ggf. ob die materiellen Voraussetzungen für die Prämienanpassung vorgelegen habe.

 

Kanzlei Lersch / G. Hermann-Lersch

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